Einige Quellen berichten, dass Angela Merkel im Rahmen des G20-Gipfels im ostchinesischen Hangzhou Einigkeit mit dem russischen Präsidenten Putin erlangt habe, und damit einer Nach-Nominierung von Kristalina Georgieva, derzeit Vizepräsidentin EU-Kommission, für das Rennen um den oder die nächsten UN-Generalsekretär*in nichts mehr im Wege stehe.
Das ist einerseits sehr erfreulich, da sich auf diese Weise die gegenseitige Blockade von Antonio Guterres und Irina Bokova durch jeweils wohl mindestens ein Veto eines ständigen Sicherheitsrats-Mitglieds auflösen ließe. Weiterhin erfreulich wäre, dass mit Georgieva eine politisch versierte Frau aus Osteuropa zum Zuge käme. Seinerzeit unterlag sie im bulgarischen “internationalen Ausscheid” noch Irina Bokova, die aber wohl über ein Veto der Vereinigten Staaten von Amerika verfügt und damit nicht UN-Generalsekretärin werden wird. Das späte Eintreten von Georgieva in das Rennen um #YourNextSG schwächt das bisher durch die Generalversammlung angestoßene transparente Verfahren, das ist klar. Doch andererseits, wenn sich bewahrheitet, dass Angela Merkel sie mehrheitsfähig gemacht hat, geht sie als einzige transnationale Kandidatin ins Rennen und könnte damit die notwendige Unabhängigkeit mitbringen, das Sekretariat zu reformieren. Erfahrungen im Verwaltungshandeln hat sie, jedenfalls. Nicht so sehr im Rampenlicht, wie sie als UN-Generalsekretärin agieren würde und müßte. So bleibt abzuwarten, wie lernfähig sie ist.
Es verliert: der transparente Prozess einer (Aus)-Wahl des oder der Nachfolger*in von Ban Ki-moon. Jedenfalls auf den ersten Blick. Kristalina Georgieva trat nicht im direkten Vergleich gegen die anderen Kandidaten an. Sie hat sich bisher nicht öffentlich erklären müssen, wie ihre Agenda als UN-Generalsekretärin aussähe und nahm an keinen Townhall-Meetings teil, um sich der Diskussion um die zukünftige Entwicklungsrichtung der Vereinten Nationen zu stellen. Doch auf der anderen Seite ist es noch nicht zu spät, das zu heilen. Wenn sie sich — Schulter an Schulter mit Mogens Lykketoft, Präsident der Generalversammlung — der Öffentlichkeit in Anhörungen stellt, wenn sie ihre Agenda kommuniziert und ihre Vorstellung von der Amtsführung darlegt.
Heimlich gewinnt: mehr Transparenz?
Mit einer solchen Nach-Nominierung würde nämlich genauso deutlich: die Regeln bei der Auswahl des UN-Generalsekretärs setzte auch dieses Jahr (noch) der Sicherheitsrat. Versteht sich Georgieva aber als Reformerin, kann ihr Umgang mit der eigenen Nach-Nominierung zeigen, wie weit “außerhalb der Zeit” sich der Sicherheitsrat befindet und wie antiquiert seine Strukturen sind. Auf diese Weise könnte der transparente Prozess, angestoßen von Lykketoft, doch heimlicher Gewinner der Hinterzimmer-Runde in Hangzhou werden, wenn Georgieva die Kraft aufbringt, ihre Nach-Nominierung als Exempel (eines letzten Aufbäumens des Sicherheitsrats gegen transparente und moderne Entscheidungsprozesse) zu statuieren, das sich so nicht wiederholen dürfe.
+++ Update, 10/09/2016, 15:08 +++
Nach Informationen der UN-Beobachter von PassBlue.com könnte es sich um ein “mix up” von Informationen handeln und Georgieva sich für den Posten der Vizepräsidentin der Weltbank warmlaufen. So oder so: #YourNextSG bleibt am Ball und aktualisiert seine Berichterstattung entsprechend den Geschehnissen.
+++ Update, 11/09/2016, 12:08 +++
Zwischenzeitlich hat der Präsident der Generalversammlung, Mogens Lykketoft, die Mitglieder des Sicherheitsrat in einem Statement dazu aufgefordert, mehr Offenheit und Transparenz auch schon während der Probeabstimmungen zu gewährleisten.
+++ Update, 11/09/2016, 16:01 +++
Quellen aus der bulgarischen Regierung bestätigen gegenüber inländischen Medien, dass die Regierung Georgieva tatsächlich nachnominieren würde. Eine offizielle Bestätigung steht zwar weiterhin aus. Jedoch passt in das derzeitige Bild, dass schon im Mai die Nachrichtenseite politico.eu über eine mögliche Nach-Nominierung von Kristaline Georgieva gemutmaßt hatte.
+++ Update, 11/09/2016, 16:24 +++
#YourNextSG hat offiziell die bulgarische Regierung, die bulgarische Botschaft in Berlin sowie den Pressesprecher im Kabinett von Kristaline Georgieva um ein Statement zur möglichen Nach-Nominierung gebeten.
+++ Update, 12/09/2016, 18:19 +++
Die Agentur Reuters berichtet (und euractiv.com unabhängig davon ebenso), dass es Unstimmigkeiten zwischen dem russischen Außenministerium und dem Auswärtigen Amt in Berlin gäbe, hinsichtlich der Personalie Georgieva. Der Sprecher von Außenmister Steinmeier wies Vorwürfe zurück, Deutschland mische sich in die Suche nach einem neuen Uno-Generalsekretär ein. Vorab hatte das russische Außenministerium behauptet, die Bundesregierung übe Druck auf Bulgarien aus, EU-Kommissarin Kristalina Georgieva als Kandidatin zu nominieren. Ausgelöst wurde die Diskussion zu dieser Personalien durch bulgarische Presseberichte vom 10. September (#YourNextSG berichtete). Weiterhin verdichten sich die Gerüchte, dass weitere Staaten — Ungarn, Kroatien and Lettland — sich ebenso für eine Nominierung Georgievas stark machten.